Die Not der Moore
Moore waren im Bewusst- sein der Bevölkerung bis vor wenigen Jahren eher eine Randerscheinung. Bekannt war vor allem, dass man im Moor tief einsinken kann und dass dort Torf abgebaut wird. Die öffentlichen Medien zeigen meist nur Interesse, wenn zufällig einmal eine Moorleiche gefunden wird. Die aktuellen Diskussionen über die Klimaveränderungen belegen jedoch, wie wichtig der Erhalt und die Renaturierung unserer Moore sind.
Die allerletzten Urlandschaften
Heute werden mehr als 65% der ehemaligen Moorflächen als Weiden und in zunehmendem Maße auch als Maisäcker landwirtschaftlich genutzt. Auf etwa 12% der Flächen wird immer noch Torf abgebaut, denn hierfür gibt es noch Genehmigungen teilweise über mehrere Jahrzehnte. Nur knapp 5% der Moorflächen können heute noch als halbwegs intakte Hoch- oder Niedermoore angesprochen werden. Diese Flächen sind mittlerweile als höchst wertvolle Biotope geschützt, denn sie stellen die letzten Urlandschaften dar und bieten seltenen Tieren und Pflanzen wichtige Rückzugsmöglichkeiten.
Im Vordergrund die typische Pflanzengesellschaft eines fast intakten Hochmmores. Das Torfmoos überwiegt und hat andere Pflanzen verdrängt. Diese Moorstadien sind heute nur noch sehr selten zu sehen (Hohes Moor bei Elm/Bremervörde)
Das „Niedersächsische Moorschutzprogramm von 1981“ sieht vor, dass alle Moore einschließlich der vielen Kleinbiotope unter Natur- schutz gestellt werden und die massiven Moorentwässerungen rückgängig gemacht werden. Zudem ist die Torfindustrie verpflichtet, die Flächen nach dem Abbau wiederzuvernässen um damit eine Renaturierung zumindest zu versuchen.
Eine wiedervernässte Torfabbaufläche. Man erkennt die Standort-Konkurrenten Pfeiffengras (Mitte links) und Torfmoos (Mitte rechts).
Moore im Klimahaushalt
Das Kohlendioxid CO2 wird mittlerweile als Hauptursache der weltweiten Klimaprobleme angesehen. Diese These findet zwar auch vehementen Widerspruch, aber trotzdem schließt sich die weitaus größte Anzahl der internationalen Wissenschaftler dieser Ansicht an. In der Diskussion spielen die Moore als bedeutende CO2-Speicher eine wichtige Rolle.
Die Photosynthese der Pflanzen ist die Grundlage alles pflanzlichen und tierischen Lebens auf der Erde. Mit Hilfe des Sonnenlichtes nehmen jedes Blatt und jeder Grashalm CO2 und Wasser auf und wandeln es in Zucker bzw. Stärke um, aus denen sich dann die Pflanzenkörper aufbauen. Dieser Prozess setzt zudem Sauerstoff frei.
Wenn sich die Blätter am Boden zersetzen, bauen Tiere und Pflanzen unter der Einbeziehung von Sauerstoff die organische Substanz wieder ab und es wird CO2 und Wasser freigesetzt. Damit hat sich der Kreislauf geschlossen.
Im Moor sind laufen die Vorgänge zunächst ähnlich ab. Die Torfmoose nehmen CO2 und Wasser auf und verwandeln sie mit Hilfe des Sonnenlichtes in Stärke/Zucker, wobei Sauerstoff freigesetzt wird.
Unterschiede gibt es jedoch beim Abbau. Da die Torfmoose größtenteils unter Wasser stehen, kommt zum Abbau kein Sauerstoff an die Pflanzen heran. Zudem herrscht im Moor ein extrem saures Milieu, welches die Torfmoosfasern konserviert so wie beispielsweise saure Gurken oder Rollmöpse in Gläsern lange Zeit haltbar sind. Also wird die pflanzliche Substanz nicht abgebaut, sondern sie wird als Torf zusammengepresst und konserviert. Diese Torfschicht wächst pro Jahr etwa 1 Millimeter.
Wegen des fehlenden pflanzlichen Abbaus ist nun auch das gesamte in den Torf eingelagerte CO2 konserviert und es wird erst wieder in großen Mengen abgegeben, wenn der Torf freigelegt wird und mit Sauerstoff, Bakterien und Pilzen in Berührung kommt. Diese Situation tritt ein bei der Entwässerung der Moore, beim Torfabbau, bei landwirtschaftlicher Nutzung sowie beispielsweise beim Straßenbau – insbesondere beim Bau der geplanten Küstenautobahn A22/20.
Die Trasse dieser Autobahn würde beispielsweise zu etwa 45% über Moorflächen mit Torfschichten von bis zu 20 Metern führen. Für den Bau würden wertvollste Naturflächen zerstört und es müssten viele Millionen Kubikmeter Torf abgebaut werden. Dabei würden große Mengen des Klimagases CO2 entweichen.
Auch die Entsorgung der Torfmassen wäre mit Problemen verbunden. Der große Anteil an giftigen Eisenverbindungen in Form von Ocker lässt den Torf nämlich zu einer Art „Sondermüll“ werden.
Ersatzweise wird heute mancherorts das sogenannte „Auflastverfahren“ versucht. Eine mehrere Meter hohe Sandschicht soll über mehrere Jahre die Torfschichten so weit zusammendrücken, dass eine Straße darauf gebaut werden kann. Dieses Verfahren funktioniert jedoch nur sehr unzureichend, wie die erheblichen Fahrbahnsenkungen auf entsprechenden Straßenabschnitten auch noch nach vielen Jahren zeigen.
Außerdem werden damit die giftigen Eisenverbindungen aus dem Torf in die umliegenden Gewässer gedrückt und lassen dort tierisches und pflanzliches Leben absterben. Dieses Wasser kann sogar die Grenzwerte für Eisen beispielsweise bei der Obstbewässerung überschreiten. Daher protestieren Naturschützer, Angler und Obstbauern zu Recht gegen dieses Verfahren.
Moorschutz als übergreifende Aufgabe
Die giftigen Eisenverbindungen aus dem Moor töten in konzentrierter Form Tiere und Pflanzen
Die wenigen, noch übrig gebliebenen Moore sind unsere letzten Urlandschaften mit einzigartigen Rückzugsmöglichkeiten für Tiere und Pflanzen. Alle intakten (aber auch die mittlerweile mehr oder weniger degenerierten) Moore und Moorwälder müssen umgehend unter Schutz gestellt werden. Dazu muss das Niedersächsische Moorschutzprogramm wesentlich schneller und effektiver umgesetzt werden. Insbesondere sind alle Entwässerungsmaßnahmen in und an Mooren zu unterbinden. Ferner muss um alle Moore und Moorwälder eine ausreichende Schutzzone geschaffen werden, in der z.B. keine Gülle ausgebracht werden darf.
Alle landwirtschaftlichen Bearbeitungen der Moore (insbesondere der Maisanbau auf Moorflächen) sind zu untersagen. Auf Moorflächen darf es generell keine Baumaßnahmen mehr geben – egal ob es sich um Autobahnen, Gewerbeflächen oder anderes handelt.
Die Torfabbaugenehmigungen sind zu überprüfen und es darf keine neuen Torfabbaugenehmigungen mehr geben. Die Renaturierungsmaßnahmen auf den Abbauflächen müssen verstärkt und besser überwacht werden. Zwischen den Moorflächen sind ausreichende Biotopvernetzungen zu schaffen.
Last but not least: Die Moore sind mit ihren einzigartigen Erholungsmöglichkeiten auch touristisch zu erschließen, wobei der Naturschutz natürlich Vorrang hat.
Alle Abbildungen und Grafiken vom Verfasser.
Dr. Hans-Joachim Andres (2012)
Tierarzt & Journalist
Basdahler Weg 1
27616 Beverstedt
Tel. 04768-922050
Mail: proarte@t-online.de
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